Schnauze voll nach Runde zwei - Warum VerkäuferInnen endlich wahres Interesse zeigen sollten
Das Thema Autokauf war bei mir eben aktuell - deshalb folgt zum Einstieg in diesen Blogartikel der Klassiker unter den Verkaufsbeispielen, wie Sie sich vor Preisvergleichern und schwierigen Verhandlungssituationen etwas besser schützen können.
Stellen Sie sich vor, Sie suchen ein neues Auto. Beispielsweise ein Gebrauchtwagen um zirka € 15.000,-. Darüber hinaus haben Sie aber keine wirklichen Vorstellungen oder Anforderungen. Sie gehen zum Autohändler und sagen: „Ich suche ein neues Auto. Budget hab ich mir 15.000,- vorgestellt.“
Der durchschnittliche Verkäufer wird (aufgrund Ihrer konkreten Budgetvorstellung nicht weiter nachdenken) und nun wie aus der Pistole schießen, dass eben erst ein neuer Kombi Marke "Egal" reingekommen ist und Ihnen all seine Vorteile aufschwatzen.
Bis Sie am Ende seiner Aufzählung draufkommen – eigentlich ist ein Kombi zu groß. Und das Spiel beginnt von vorne - als Kunde haben wir spätestens nach dieser zweiten Runde an Produkt- und Vorteils-Monologen die Schnauze voll und innerlich unbewusst abgeschalten.
"Das gilt allerdings für alle Branchen und Produkte, in der Verkäufer lieber Vorschläge präsentieren als Lösungen zu erfragen."
Tolle Vorstellung oder?
In manchen meiner Verkaufstrainings habe ich schon VerkäuferInnen erlebt, die mehr als 80% des Gesprächs selbst „gesprochen“ haben und das als normal empfunden hatten. Was werden Sie vom Kunden wohl erfahren haben? Werden sie sich damit Sympathien erspielt haben? Würden Sie sich persönlich gut aufgehoben fühlen?
Vielleicht, weil der Verkäufer fachlich top war – aber das Auto werden sie selbst auswählen - mit der Gefahr etwas in der Auswahl zB der Ausstattung, nicht bedacht zu haben und danach enttäuscht zu sein - von Produkt und Verkäufer. Sie werden sich als Kunde wie gewohnt somit wieder einmal selbst durch den Produkt-Dschungel führen müssen und das Gespräch selbst führen mit Fragen die der Verkäufer beantwortet.
"Jedoch lieben wir Verkäufer, die es schaffen etwas anzubieten von dem wir noch gar nicht wussten, dass wir es wirklich benötigt hatten."
Ich wusste nicht, dass ich eine Anhängerkupplung durchaus brauchen könnte - dieser Verkäufer hat mir Fragen gestellt und Situationen geschildert, in denen ich mich sehr gut (mit Anhänger) wiederfinden konnte.
"Kennen Sie als Kunde solche Aha-Momente zu denen Sie der Verkäufer geführt hat? Dann hatten Sie in diesem Fall tolle Verkäufer."
Welche Fragen sollten wir nun stellen, um weniger verglichen zu werden?
"Ansonsten - der klassische Fall von „toll beraten – nix verkauft“.
Kunde sagt klassischerweise „gut, danke, ich überlegs mir“. Im Verkauf müssen wir es endlich schaffen ernsthaftes Interesse an der Person und dessen Beweggründen zu zeigen - ansonsten werden wir und ständig im Vergleich mit Mitbewerb, Internet und dem Preiskampf befinden.
Es gilt also Fragen zu stellen, um den Kunden als Typ Mensch kennen zu lernen. Nicht unbedingt private Geschichten - es geht nicht darum unseren Kunden in ein Kreuzverhör an Hobbies und Vorlieben zu stellen. Wenn Verkäufer soweit kommen eine tiefgreifende Frage zu den Beweggründen des Kaufs zu stellen, wurde mit dem Kunden schon mal eine erste Vertrauensbasis geschaffen.
Bei diesen tiefgreifenden Fragen geht es vielmehr um dessen bisherige Erfahrungen mit diesem oder ähnlichen Produkten und wie sich die Wünsche daraus erkennen lassen. Das Verhältnis von Fragen und Reden sollte also umgekehrt sein. 80% sollte der Kunde sprechen. Dann haben Sie die besten Möglichkeiten mit tiefgreifenden Fragen auch die wahren Interessen Ihres Gegenübers zu erfahren. Und die kennen Ihre Kunden meist selbst nicht!
"Erst, wer wahres Interesse am Menschen per se zeigt, wird interessant."
Durch aktives unaufdringliches Nachfragen nach dessen Erfahrungen und den daraus gewonnen Erkenntnissen und Wünschen des Kunden, gewinnen Sie schneller an Sympathiepunkten.
Solche Fragen könnten lauten:
- Was ist Ihnen dabei (bei einem neuen Auto) besonders wichtig?
- Auf was hatten Sie bisher geachtet?
- Welchen Stellenwert hat (ein Auto) bei Ihnen? uvm.....
Im ersten Moment wirken solche Fragen etwas deplaziert aus unserem Mund. Denken Sie aber mal 10-20 Jahre zurück - wie hatten Sie damals gesprochen? Welche Worte hatten Sie damals benutzt? Wir entwickeln uns stetig weiter und gerade im Verkauf ist der Wandel besonders stark zu spüren. Was wiederum Bereitschaft zur Weiterentwicklung eines jeden Verkäufers erfordert. Achten Sie deshalb auf bisherige Worte und passen Sie die Fragestellungen an Ihre individuelle Sprache an.
In den meisten Fällen wird der Kunde (positiv) überrascht sein, von Fragen die er so wohl noch nie gehört hat. Er wird sich auch nach dem Gespräch noch Gedanken über manche dieser tiefgreifenden Fragen machen.
Die dahinterliegende Dankbarkeit auf wichtige Themen eingegangen zu sein, wird den Kunden weniger Anlass zu geben in einen Preiskampf oder Vergleich zu gehen. (ganz schützen wird man sich leider nie können, diese Realität gehört ebenso erwähnt - dafür hilft dann gute Argumentation und Eloquenz in Ihrer Einwandbehandlung)
"Und damit bleiben Sie als Verkäufer in guter Erinnerung ("merk-würdig"), weil Sie sich tiefgreifend für Ihr Gegenüber interessiert haben - mit nur einer überraschenden Frage."
Und das sollte das Ziel jedes Verkaufsgesprächs sein.
Viel Erfolg
Ihr Jürgen Eisserer